1. Oktober 2024
Resolution zum Schutz der Karstlandschaft im Südharz
Die Gipskarstlandschaft des Südharzes ist ein weltweit einmaliger Naturraum, der sich über rund 100 km und Teile der deutschen Bundesländer Niedersachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt erstreckt. Zahlreiche FFH-Gebiete, aber auch viele Steinbrüche, die bereits große Teile der Landschaft zerstört haben, prägen den Gipskarst im Südharz.
Nur im Bundesland Sachsen-Anhalt ist der Gipskarst noch vollständig erhalten. Dieses Gebiet wurde daher konsequenterweise als „Biosphärenreservat Karstlandschaft Südharz“ ausgewiesen – es ist das bisher weltweit einzige nennenswerte Biosphärenreservat im Sulfatkarst der Welt!
Trotz dieser herausragenden Stellung könnten zentrale Teile dieses Gebiets nun für immer zer-stört werden. Unter Berufung auf den Koalitionsvertrag der Landesregierung von Sachsen-Anhalt plant der zuständige Landkreis Mansfeld-Südharz, einen Antrag der Gipsfirma Knauf zu geneh-migen, mitten im FFH-Gebiet „Buntsandstein- und Gipskarstlandschaft bei Questenberg im Südharz“ (EU-Code DE 4432-301, Landescode FFH0101) 8 Probebohrungen niederzubrin-gen, um die hiesigen Gipsvorräte zu erkunden. Die Regierung von Sachsen-Anhalt hat dem Verneh-men nach verlauten lassen, dass man Steinbrüche in Kauf nehmen werde, wenn sich ein Gips-abbau hier lohne.
Was diese Landschaft so einzigartig macht, ist die besondere geologische Situation. In dieser Form und Mächtigkeit steht Gips in Deutschland nur hier großräumig und ober-flächennah an. So ist der Südharz weltweit der einzige Gipskarst, der reich bewaldet ist. Verschwindet der Gips, verschwindet mit den Bio- und Geotopen dieses Gebiets ein Welt-erbe! Höhlen, Quellen und unterirdische Fließwege sowie Gipslebensgemeinschaften wären hier für immer vernichtet. Eine Wiederherstellung von zerstörten Gipskarstgebieten ist schlicht unmöglich.
Die Bohrungen waren bereits für den 16.9.2024 geplant. Den Umweltverbänden wurde nun eine Frist zur Stellungnahme bis zum 8.10.2024 eingeräumt. Das Gebiet der geplanten Bohrungen ist neben dem FFH-Schutz auch als Naturschutzgebiet und Landschaftsschutzgebiet sowie Natur-park geschützt. Auch die Zerstörung der Kernflächen des Biosphärenreservats wäre vorprogram-miert. Werden diese Probebohrungen nicht unterbunden, wird ein Präzedenzfall für Gipsabbau in fast allen Formen von Schutzgebieten geschaffen.
Am Südharz ist im Laufe von mehreren 10.000 Jahren eine Gipskarst-Landschaft mit extremer
Verkarstungsintensität, morphologischer sowie biologischer Vielfalt und Einzigartigkeit entstan-den. Sie ist aus diesem Grund Teil der BfN-Hotspotgebiete der Biodiversität 18 und 19 und hat ganz
herausragende Bedeutung für zahlreiche Fledermausarten, wie z.B. Mopsfledermaus Barbastella barbastellus, Große und Kleine Bartfledermaus Myotis brandtii und Myotis
mystacinus sowie das Mausohr Myotis myotis, um nur einige zu nennen. Die strukturreiche Landschaft bietet auch vielen Amphibien wie z.B. dem Feuersalamander Salamandra
salamandra Lebensraum. Auch sehr stark schwankende Wasserstände in großen Erdfällen und Poljen sowie periodischen Seen und Karstquellen gehören zu den Besonderheiten. Zudem zeichnet sich der
Südharz durch eine besonders reichhaltige und schutzwürdige Grundwasserfauna und Grundwasserlebens-räume aus. Neben den FFH-Lebensraumtypen und -arten kommen hier noch weitere Arten mit einer
besonderen Schutzverpflichtung vor. Es wachsen hier zum Beispiel das Kriechende Gips-kraut Gypsophila repens und das Schlanke Wollgras Eriophorum gracile. Das Schlanke Wollgras gilt
europaweit als vom Aussterben bedroht. Riesig ist die Zahl der Pilze, die hier vorkommt – von sehr häufigen Ubiquisten bis hin zu extrem seltenen Spezialisten. Und auch die Flechten haben manche
Besonderheit zu bieten, wie etwa die Bunte Erdflechtengesellschaft oder die extrem seltene Psora saviczii, deren deutscher Name „Gips-Erdschorf“ schon auf den besonderen Wuchsort
hinweist.
Wir sprechen uns vehement gegen jegliche neue Abbauvorhaben im Gipskarst des Süd-harzes aus! Das Land Sachsen-Anhalt sollte nicht auf weitere Landschaftszerstörung set-zen, die auch die weitere touristische Zukunft der Region verbaut. Es gilt, zukunfts- und klimaorientierte Werke und Firmen zu fördern, die Alternativen zum Baugips herstellen. Solche Baustoffe aus regenerierbaren Materialien wie Pflanzenfasern und Recyclingmine-ralien sind längst auf dem Markt. Das Land Sachsen-Anhalt muss seine Verantwortung für die international bedeutsame Gipskarstlandschaft erkennen und wahrnehmen und die Landschaft als UNESCO-Welterbe schützen!
Quelle: Verband der deutschen Höhlen- und Karstforscher e.V.
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