Weil viele heimische Wildpflanzen nicht so auffällig blühen wie Zierpflanzen, sind sie fast in Vergessenheit geraten – zu Unrecht! Flächenverlust, Herbizide und die Überdüngung der Landschaft machen ihnen in freier Wildbahn zu schaffen. Umso schöner, wenn wir ihnen in unseren Gärten zum Comeback verhelfen können – mit Naturgärten. Die Pflanzen des Monats werden vorgestellt von der Stiftung Mensch und Umwelt.
Wildpflanze des Monats Dezember
Europäische Stechpalme (Ilex aquifolium)
Besonders in England und Nordamerika ist sie ein Symbol für Weihnachten. Ihre stacheligen Blätter mit den roten Beeren schmücken dort viele Wohnzimmer. Als „Holly“ besingen die Menschen sie sogar in Liedern zum Fest.
Doch nicht nur in England, auch bei uns in Deutschland – und hier vor allem im Westen und im Alpenvorland – ist die Europäische Stechpalme heimisch. Sie ist zweihäusig, es gibt also männliche und weibliche Exemplare.
Der „Baum des Jahres 2021“ mag es eher schattig und ist immergrün. Das macht ihn für viele Gärten interessant. Dort eignet sich die „Hülse“, wie die Pflanze auch genannt wird, als Unterwuchs, als Solitärbaum oder als Hecke. Hier kann sie durch Wurzelausläufer einen dichten Bestand bilden.
Die wehrhafte Pflanze wird gerne als Brutplatz von Singvögeln genutzt, die später im Jahr auch die für uns giftigen Beeren fressen. Mauerbienen, die Frühlings-Seidenbiene und verschiedene Sandbienen sammeln den Pollen der eher unauffälligen Blüten, die im Mai und Juni erscheinen.
Die ledrigen, sattgrünen Blätter sind vor allem im unteren Bereich der Pflanze stachelig. In höheren Bereichen werden die Blätter weniger wehrhaft. Das ist ein Hinweis darauf, dass sich die Stechpalme vor Verbiss durch Kaninchen, Rehe oder weitere Arten schützt.
Auch das Holz ist schon zu Ehren gelangt: Sowohl Goethes Spazierstock als auch der Zauberstab von Harry Potter sind aus Stechpalmenholz geschnitzt. Weil sie durchaus undurchdringliche Dickichte bilden kann, ist sie im Spruch „Ilse bilse, keiner willse, die böse Hülse!“ verewigt. Doch dies stimmt heute nicht mehr. Viele Gärtnerinnen und Gärtner schätzen die Eigenschaften der Stechpalme. Hat sie auch ein schattiges Plätzchen in Ihrem Garten gefunden?
Wildpflanze des Monats November
Die Schlehe: Eine Wunderpflanze für Mensch wie Tier
Die Schlehen hängen gerade voller Früchte, die wie kleine Pflaumen aussehen. Tatsächlich gilt der „Schwarzdorn“, wie die Schlehe auch genannt wird, als Vorfahre der Pflaume. Wenn die Früchte den ersten Frost abbekommen, werden sie genießbar, bleiben aber herb im Geschmack. Aus ihnen lassen sich gute Marmeladen, Säfte und Liköre zubereiten.
Viele Bauern pflanzten früher Schlehen rund um ihre Höfe, weil die Gehölze einem alten Volks-glauben nach Hexen abhalten sollen. Zudem waren sie nicht nur ein guter Sicht- und Windschutz für den Hof, sondern auch ein Segen für die Tierwelt. Denn kaum eine Pflanze bringt Insekten und Vögeln größeren Nutzen: 19 Wildbienenarten, darunter die Rostrote Mauerbiene und verschie-dene Sandbienen, sammeln Pollen an den Blüten. Diese erscheinen im zeitigen Frühjahr noch vor den Blättern und tauchen ganze Wegränder in ein zartes Weiß. Und sage und schreibe 126 Falterarten wie Segelfalter und Nierenfleck-Zipfelfalter stärken sich entweder am Nektar oder benötigen die Blätter als Futter für ihre Raupen. Nur von Eichen und Weiden profitieren noch mehr Schmetterlinge. Vögel fressen die Früchte, aber noch wertvoller ist die Schlehe für sie als Nistplatz. Sie ist nämlich dornenreich und wächst so dicht, dass die Nester dort gut geschützt sind.
An den Boden stellt die Schlehe keine besonderen Ansprüche. Sie hat es gerne sonnig, kommt aber auch im Halbschatten zurecht. In einer naturnahen Hecke sollte sie also immer vorhanden sein. Die Pflanze bildet besonders auf sandigen Böden gerne Ausläufer. Daher halten Sie sie insbesondere am Rand von wertvollen Trockenrasen im Auge, damit sie den Standort nicht übernimmt. Im Garten ist dies aber kein großes Problem. Dort können wir die Schösslinge einfach abmähen – oder ausstechen und an anderer Stelle wieder einpflanzen.
Wenn Sie eine Schlehe pflanzen, tun Sie sich und der Tierwelt etwas Gutes.
Wildpflanze des Monats Oktober
Gewöhnliche Grasnelke: Zart – und hart im Nehmen
Betrachten wir die Gewöhnliche Grasnelke (Armeria maritima) mit ihren zartrosa Blüten, ahnen wir nicht, was diese Pflanze alles wegstecken kann: Sie verträgt Salz und sogar Schwermetalle aus dem Boden. Eine ihrer Unterarten wächst sogar bevorzugt dort, wo die Menschen früher Erz abbauten. Wie zäh sie ist, zeigt sie auch mit ihrer Blüte, denn sie entfaltet sich auch noch spät im Jahr – im Oktober.
In Deutschland finden wir sie vor allem im Nordosten an den Küsten und im Binnenland. Dort hat sie ihre Lieblingsbedingungen: sonnig, trocken, mager und sandig. Sie ist daher auch unter dem Namen „Strand-Grasnelke“ bekannt. Wenn wir ihr im Garten oder auf dem Balkon einen solchen Standort bieten, erfreut sie uns ab Mai mit ihren hübschen Blütenköpfchen. Diese werden dankbar von vielen Bienen- und Schmetterlingsarten angenommen. Gute „Beetpartner“ sind MoschusMalve, Heide-Nelke oder Sand-Strohblume.
Der Name „Grasnelke“ ist ein wenig irreführend: Die Pflanze sieht nicht wie eine typische Nelke aus und gehört auch nicht zur Familie der Nelken. Das „Gras“ in ihrem Namen passt hingegen gut. Denn ihre Blätter erinnern stark an Gräser. Unterirdisch bringt sie eine lange Pfahlwurzel über längere Trockenphasen. Klimafit ist die Gewöhnliche Grasnelke also auch noch. Trotzdem werden ihre Bestände in der Roten Liste als „gefährdet“ eingestuft, weil ihre bevorzugten Standorte wie Trockenmagerrasen immer mehr verschwinden. Setzen wir uns also für den Schutz ihrer Lebensräume ein. Oder geben wir der Grasnelke einen Platz im Garten!
Wildpflanze des Monats September
Gewöhnliche Goldrute: Das unwiderstehliche Goldlöckchen
Die Kanadische Goldrute ist allgegenwärtig. An Bahndämmen, auf Brachen oder an Wegrändern hat sie oft die Vorherrschaft übernommen. Leider ist sie, wie der Name schon ahnen lässt, nicht heimisch – und invasiv. Sie kommt mit fast allen Standorten zurecht und verdrängt zahlreiche andere Pflanzen. Das ist schädlich für die heimische Natur.
Deutlich unbekannter ist ihre mitteleuropäische Verwandte, die Gewöhnliche oder Echte Goldrute, um die es im Folgenden geht. Was auch daran liegt, dass sie bei weitem nicht so ausbreitungs-freudig ist. Wurzelausläufer bildet die heimische Goldrute nämlich nicht. Sie ist recht anspruchs-los, was den Standort betrifft, und verträgt Halbschatten und trockene Böden. Dort wird sie meist um die 40 cm hoch. Sie ist also auch als Einzelpflanze deutlich zurückhaltender als ihre aufdring-liche Schwester aus Kanada, die gut 2 m groß werden kann. Umso beliebter ist die heimische Goldrute in der Insektenwelt: Mehr als 60 Insektenarten fressen an ihren Blättern, darunter 17 verschiedene Falterarten. Die späten Blüten werden gerne von Bienen, Schwebfliegen und Schmetterlingen besucht.
Uns Menschen bietet die heimische Goldrute neben goldgelben Farbtupfern im Spätsommer und Herbst auch Inhaltsstoffe, die entwässernd wirken. Zudem wurde sie auch lange Zeit als Färberpflanze genutzt. Im Garten können wir sie gut mit Blut-Storchschnabel, Tauben-Skabiose oder verschiedenen Glockenblumen kombinieren. Und auch im Topf auf dem Balkon oder der Terrasse „funktioniert“ sie gut. Dort erstrahlt sie dann, wenn ansonsten nur noch wenig blüht.
Wildpflanze des Monats August
Schmalblättriges Weidenröschen: Auferstanden aus Ruinen
Kahlschlag, Windbruch oder Brand sind einschneidende Ereignisse für den Wald. Eine Pflanze aber besiedelt die neu entstandenen lichten Flächen schnell. Von Juni bis August hauchen die Blüten des Schmalblättrigen Weidenröschens mit ihren intensiven Rosatönen den gebeutelten Arealen wieder Leben ein. Daher wird es auch „Wald(schlag)weidenröschen“ genannt, im Englischen „Fireweed“. Weil es auch in städtischen Schuttwüsten nach dem Krieg erschien, bekam es zusätzlich den Namen „Trümmerblume“.
Die Pflanze hat die gesamte Nordhalbkugel der Erde besiedelt. Sie benötigt viel Licht und Nährstoffe und kann sehr ausbreitungsfreudig werden. Daher sollten wir das Weidenröschen im Garten nur mit anderen konkurrenzstarken Stauden wie Rainfarn oder Wasserdost pflanzen und seine Ausbreitung im Auge behalten. Weil das Schmalblättrige Weidenröschen neben seinem Rhizom auch Samen zur Vermehrung nutzt, die weite Strecken vom Wind weggetragen werden können, sollten wir Verblühtes abschneiden. Das kann ganz schön viel sein: Die Blütenstände werden über einen Meter hoch! So halten wir die Pflanze besser im Zaum.
Für Mensch und Tier ist das Schmalblättrige Weidenröschen sehr nützlich. Wir können die Wurzeln und jungen Blätter als Gemüse verwenden. Die fedrigen Schirmchen der Samen wurden früher als Dochte, Kissenfüllungen oder gar zum Weben benutzt. Die wunderschönen Blüten locken mit reichlich Nektar viele Bienen und Falter an. Die Blätter und Pollen sind für einige Blattschneiderbienen wichtig. Die Weidenröschen-Blattschneiderbiene hat sich sogar auf diese Pflanze spezialisiert. Die Raupen zahlreicher Schwärmer benötigen die Blätter als Nahrung.
Übrigens: Der Biologe Christian Konrad Sprengel (*1750 bis † 1816) entdeckte am Schmal-blättrigen Weidenröschen das Prinzip der Fremdbestäubung – eine besondere Pflanze also!
Wildpflanze des Monats Juni
Der Bienenmagnet am Wegesrand
An Straßen- und Wegesrändern streckt nun eine Pflanze ihren Blütenstand in die Höhe, die eine der Lieblingspflanzen für Wildbienen & Co. ist: der Gewöhnliche Natternkopf. Der Name kommt wahrscheinlich von seiner Blütenform, die an einen Schlangenkopf samt Zunge erinnert. Die langen Staubgefäße sehen wie eine gespaltene Reptilienzunge aus.
Die Blüten bieten allerhand Nektar und Pollen. Dementsprechend beliebt sind sie bei Faltern,
Schwebfliegen und Bienen: So fliegen gut 40 Wildbienenarten auf ihn, wie die spezialisierte
Natternkopf-Mauerbiene, die ohne ihn nicht überleben kann. Bei den Schmetterlingen sind es sogar fast 50 Arten. Dazu gehören Schönheiten wie die Goldene Acht, der Segelfalter und der
Schwalbenschwanz. Wer sie in den Garten locken will, liegt mit dem Natternkopf richtig.
Am besten wächst er auf kargen Stellen in voller Sonne. Viel mehr Ansprüche hat er nicht. Er ist
zweijährig und bildet im ersten Jahr lediglich eine Blattrosette und eine lange Pfahlwurzel. Im
zweiten Jahr geht er in Blüte. Die Blüten sind zuerst in rosa gehalten, bevor sie sich blau verfärben. Wie seine Verwandten Lungenkraut und Borretsch zeigt der Natternkopf den Insekten über die
Blütenfarbe an, ob bei ihm noch viel Nahrung zu holen ist. Nach der Blüte ist sein Lebenszyklus etwa im August des zweiten Jahres abgeschlossen. Vorher samt er sich noch großzügig aus. So ist auch in
den kommenden Jahren der Tisch für die Insekten reich gedeckt.
Machen Sie den Bienen und sich selbst eine Freude. Holen Sie sich den Natternkopf auch in Ihren Garten!
Wildpflanze des Monats Mai
Die besseren Geranien – Storchschnäbel
Die Storchschnäbel oder Geranien sind eine artenreiche Gattung in unserer heimischen
Pflanzenwelt. Hier sind allerdings nicht die Geranien gemeint, die noch immer beliebte und
klassische Balkonpflanzen sind – und eigentlich „Pelargonien“ heißen. Für Insekten sind sie mehr
oder weniger nutzlos.
Wir kümmern uns lieber um die wilden Verwandten. Diese haben sich an viele Standorte angepasst: Im lichten Schatten wachsen Wald-Storchschnäbel, auf kargen und heißen Stellen Blut-Storchschnäbel. Wiesen- oder Sumpf-Storchschnäbel verraten
ihre Vorlieben schon durch den Namen. Auch das Ruprechtskraut, oder „Stinkender Storchschnabel“ genannt, zählt dazu.
Es erscheint ebenfalls an eher unwirtlichen Orten.
Der ungewöhnliche Name „Storchschnabel“ stammt von den langen und dünnen Samenständen.
Die Blüten sind bei den heimischen Vertreterinnen in Blau- und Rottönen gefärbt. Nektar und Pollen sind meist einfach für Insekten zu erreichen. Daher werden sie gerne von Bienen, Schweb-fliegen und
Faltern genutzt. So wird etwa der Wald-Storchschnabel gerne von der Wald-Schenkel-biene oder der Rotbeinigen Furchenbiene besucht. Beide waren schon einmal „Wildbiene des Monats“. Die wilden
Storchschnäbel sind also eindeutig die besseren Geranien. Welche dürfen denn in Ihrem Garten klappern?
Wildpflanze des Monats April
Geflecktes Lungenkraut
Die Lebensmittelampel für die Biene
Hat es rote oder blaue Blüten? Es kommt darauf an: Die Blüten des Gefleckten Lungenkrauts
verfärben sich im Laufe ihres kurzen Lebens von Rot, wenn sie frisch geöffnet sind, nach Blau. So
können Wildbienen anhand der Farbe erkennen, ob sich ein Besuch lohnt. Beim verwandten
Borretsch färben sich die Blüten ähnlich, auch beim Natternkopf können wir dies beobachten.
Hoch geschätzt wird diese „Ampel“ von der Frühlings-Pelzbiene. Für sie stellt das Lungenkraut eine wichtige Nahrungspflanze dar. Die Pelzbiene bevorzugt die jungen roten Blüten, denn dort ist noch
mehr Nektar zu finden. Insekten mit kurzem Rüssel bleibt dieser aber verborgen. Denn der Nektar liegt versteckt hinter einer 1 cm langen und schmalen Kronröhre.
Auffällig sind auch die gefleckten Blätter. Auf den ersten Blick wirkt die Pflanze so fast exotisch.
Dabei ist sie heimisch und noch weitverbreitet. Das Gefleckte Lungenkraut ist zudem ein sehr altes Hustenmittel, wie der Name bereits ahnen lässt. Auch der botanische Name Pulmonaria officinalis
deutet darauf hin: „Pulmo“ steht für die Lunge, „officinalis“ immer für eine medizinische Verwendung.
Wildpflanze des Monats März
Scharbockskraut
Die alte Seemanns-Arznei im Vorgarten Mit Skorbut müssen wir uns heutzutage zum Glück nicht mehr herumschlagen. Die Krankheit entsteht durch einen Vitaminmangel und wurde früher auch „Scharbock“ genannt.
Um Scharbock auf hoher See vorzubeugen, haben Seefahrer früher ein Kraut genutzt, dessen Blätter reich an Vitamin C sind. Diese heilsame Eigenschaft finden wir noch heute im Namen der Pflanze, dem Scharbockskraut. Die Blätter der Pflanze sollten wir jedoch nur nutzen, bevor die Blüten an der Pflanze erscheinen, da sie danach giftig werden. Bald ist es soweit und das Scharbockskraut läutet leuchtend gelb den Frühling ein.
Oft finden wir die Blüten in großer Anzahl an eher schattigen und feuchten Stellen. Daher eignet sich das Scharbockskraut auch gut für dunklere Ecken im Garten oder sogar auf dem Balkon. Für die ersten Insekten des Jahres sind die Blüten als Nahrung sehr wichtig. An ihnen sammeln bereits zehn Wildbienenarten Pollen für den Nachwuchs, darunter einige Sandbienenarten, die Gewöhnliche Schmalbiene und die weitverbreitete Rostrote Mauerbiene.
Wie viele andere Frühblüher zieht das Scharbockskraut seine Energie aus seinen Wurzelknollen. So kann es vor den meisten anderen Pflanzen durchstarten. Über Brutknöllchen, die im Mai von der Mutterpflanze abfallen, breitet es sich aus. Sie keimen im nächsten Jahr und entwickeln sich zu einer neuen Pflanze.
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