Weil viele heimische Wildpflanzen nicht auffällig blühen, sind sie fast in Vergessenheit geraten – zu Unrecht! Flächenverlust, Herbizide und die Überdüngung der Landschaft machen ihnen in freier Wildbahn zu schaffen. Umso schöner, wenn wir ihnen in unseren Gärten zum Comeback verhelfen können – mit Naturgärten.
Die Pflanzen des Monats werden vorgestellt von der Stiftung Mensch und Umwelt.
Pflanzenportrait Dezember 2024
Weißbeerige Mistel (Viscum album)
In vielen Regionen der Welt küssen sich Menschen in der Weihnachtszeit unter einem Mistel-zweig. Das soll gut für die Liebe sein. Schon die Druiden schrieben Misteln heilende Wirkung zu, wie wir es nicht zuletzt aus Asterix-Geschichten kennen. Doch auch ganz nüchtern betrachtet hat unsere Pflanze des Monats viel Erstaunliches zu bieten:
Wenn im Winter die Bäume kahl sind, können wir die Weißbeerige Mistel besonders gut entde-cken. Dieser Halbschmarotzer wächst nämlich auf Bäumen. Er kann zwar selbst Photosynthese betreiben. Dennoch wurzelt er in den Leitungsbahnen seines unfreiwilligen Wirts und entzieht ihm Wasser und Nährsalze. Bei günstigen Bedingungen können sich die Misteln so stark vermehren, dass ihre Wirtsbäume mit der Zeit absterben. Grundsätzlich gilt: Ein Ast mit einer aufsitzenden größeren Mistel ist im Wuchs immer stark eingeschränkt.
Jetzt zur Adventszeit sind die Beeren der Mistel reif. Sie enthalten jeweils einen Samen und sind ein Leckerbissen für Misteldrossel, Mönchsgrasmücke und Seidenschwanz. Letzterer taucht bei uns als Wintergast auf. Nach dem Ausscheiden bleibt die sehr klebrige Samenhülle erhalten. Dadurch bleiben die Samen gut an Ästen haften. Ist der Baum nicht „mistelfest“ – wie es etwa Buchen, Erlen oder Eschen sind – dringt der keimende Samen in die Leitungsbahnen des Wirts ein, und eine neue Mistel entsteht.
Misteln wachsen gut auf Pappeln, Linden, Weißdorn oder Obstbäumen. Sie entwickeln sich sehr langsam. Pro Jahr bildet die Pflanze nur ein Sprossglied. Buschige, bis zu einem Meter im Durchmesser große Exemplare sind dementsprechend alt. Bis zu 70 Jahre kann eine Mistel werden.
Auch von der unscheinbaren Blüte bis hin zur Frucht lässt sich die Mistel Zeit. Sie wird vor allem von Fliegen bestäubt. Misteln blühen bei passenden Bedingungen schon im Januar. Einige spezialisierte Insekten wie der Mistel-Spitzmausrüssler (ein kleiner Käfer) oder die Falterraupen von Mistel-Glasflügler und Weißem Mistelwickler sind von ihnen abhängig. Auch die Raupen des Blausiebs können die Mistel nutzen.
Trotz ihres fast schon magischen Rufs sollten wir keine Misteln essen. Sie sind bis auf die Beeren schwach giftig. Auch von den klebrigen Beeren lassen wir besser die Finger, da sie unangenehm im Rachen haften können.
Übrigens: Misteln selbst sind nicht mistelfest. Sie können also ihren eigenen Artgenossen als Wirt dienen!
Pflanzenportrait November 2024
Gewöhnliche Waldrebe (Clematis vitalba)
Die Gewöhnliche Waldrebe erkennen wir zurzeit vor allem an ihren flauschigen Samenständen. Diese Sammelfrüchte bestehen aus den einzelnen Samen, die jeweils einen behaarten Feder-schweif haben. Die Samen reifen über den Winter aus und werden ab dem Frühjahr vom Wind davongetragen. Bei feuchtem Wetter können sie sich auch durch Anhaftung an Tiere oder uns Menschen ausbreiten. Weil die Samen so weich sind, nutzen sie Vögel zudem für ihren Nestbau. Auch so breitet sich unsere Pflanze des Monats aus. Daher taucht sie in Gärten oft von ganz allein auf.
Die Gewöhnliche Waldrebe ist eine der wenigen Lianen, die bei uns wachsen. Lianen bilden meist einen verholzenden Stamm und wachsen an Bäumen oder anderen Kletterhilfen empor. Die Gewöhnliche Waldrebe kann dank dieser Strategie über zehn Meter hoch werden. Der Stamm kann etwa 50 Jahre alt werden, ein Seitentrieb um die 25 Jahre. Diese Wüchsigkeit und Ausdauer kann durchaus zum Problem für den Baum oder Strauch werden, der ihr als Kletterhilfe dient. Denn dieser hat ein hohes Gewicht zu tragen und wird durch die Blätter des ungebetenen Gastes beschattet. Ein Rückschnitt macht der Gewöhnlichen Waldrebe allerdings nichts aus. Wird sie zu groß und mächtig, können wir problemlos zur Schere greifen. Dabei sollten wir jedoch Hand-schuhe tragen, denn der Pflanzensaft kann zu Hautreizungen führen.
Der ökologische Wert der Gemeinen Waldrebe ist hoch. Viele Tiere profitieren von ihr: Vögel nutzen die Samen nicht nur als Nistmaterial, sondern fressen sie auch im Winter. Zudem bietet das dichte Blattwerk gute Brutplätze. Die Raupen von über 40 Nachtfalterarten ernähren sich von den Blättern. Und Falter, Käfer sowie Fliegen besuchen gerne die cremeweißen Blüten. Die Gewöhnliche Schmalbiene und die Pförtner-Schmalbiene sammeln hier Pollen.
Typischerweise wächst die Gewöhnliche Waldrebe halbschattig auf eher feuchtem und nährstoff-reichem Boden. Diese Bedingungen findet sie in Auwäldern. In Deutschland ist sie vor allem im Südwesten weitverbreitet. Für den Topf oder Kübel auf dem Balkon ist sie wegen ihrer Größe nicht empfehlenswert. Gut macht sie sich jedoch als Bewuchs von Zäunen. Auch als Fassaden-begrünung ist sie eine Option.
Pflanzenportrait Oktober 2024
Europäisches Pfaffenhütchen (Euonymus europaeus)
Im Herbst hat unsere Pflanze des Monats ihren großen Auftritt. Das Pfaffenhütchen fällt mit sei-nem tiefroten Laub und seinen orange-roten Früchten sofort ins Auge. Dann beschert es uns einen Hauch von Indian Summer in Mitteleuropa.
Auch für einige Wochen im Juni zieht das Gehölz schon viele Blicke auf sich. Dann machen eini-ge Pfaffenhütchen eine merkwürdige Verwandlung durch: Sie werden von einem dichten Schleier überzogen. Der Grund dafür sind Gespinstmotten, die die Pflanzen regelrecht kahl fressen. Un-ter dem Gespinst sind die Raupen der Motten vor hungrigen Vögeln geschützt. Den Pfaffenhüt-chen macht diese „Heimsuchung“ jedoch wenig aus. Sind die Raupen verpuppt, treibt das Pfaf-fenhütchen neu aus, als wäre nichts gewesen. Auch für weitere Falterarten wie dem Schwan oder der Satelliteule ist der Strauch eine wichtige Raupenfutterpflanze.
Es scheint, als bieten diese beiden Auftritte dem Pfaffenhütchen genug Aufmerksamkeit. Über
den Rest der Saison ist es eher unauffällig. Selbst die grünlich-weißen Blüten sind schwer wahr-zunehmen. Sie werden vor allem von (Schweb)Fliegen besucht, doch auch die Rotpelzige Sand-biene sammelt hier Pollen für den Nachwuchs.
Bis zum Herbst entstehen aus den Blüten die Fruchtstände, die an eine Kopfbedeckung von Geistlichen erinnern und dem Pfaffenhütchen seinen Namen geben. Dass die Früchte auch „Rotkehlchenbrot“ genannt werden, weist darauf hin, wie gerne sie von Vögeln gefressen werden. Für uns ist die Pflanze jedoch giftig! In früheren Zeiten nutzten Menschen das zähe
Holz unter anderem, um daraus Spindeln herzustellen. Daher heißt das Pfaffenhütchen in eini-gen Regionen auch „Spindelstrauch“.
Die Pflanze bildet ein dichtes Wurzelwerk aus, das den Boden vor Erosion schützt. Im Garten sollten wir beachten, dass eine Unterpflanzung schwierig wird, weil sich die meisten Stauden nicht gegen seine engmaschigen Wurzeln behaupten können. Ansonsten ist das Pfaffenhütchen solitär wachsend oder für eine Hecke sehr gut geeignet. Es wird etwa 3 bis 4 Meter hoch und breit und kann auch als Hochstamm in Baumform eingesetzt werden. Es kommt in ganz Deutschland in Gebüschen und lichten Wäldern vor. Hohe Ansprüche an seinen Standort stellt es nicht. Am liebsten wächst es sonnig bis halbschattig auf frischem Boden mit Kalkanteil. Dort bietet es viel
für das menschliche Auge und für die heimische Tierwelt.
Pflanzenportrait September 2024
Tauben-Skabiose (Scabiosa columbaria)
Allzu viel mag im September nicht mehr blühen. Unsere Pflanze des Monats schiebt jedoch noch bis in den November immer wieder ihre hübschen lila Blütenstände nach. Die Tauben-Skabiose ist somit eine saisonale Spätzünderin. Doch gerade das macht sie bei zahlreichen Bestäubern wie Bienen, Schwebfliegen und Schmetterlingen so beliebt.
Sieben Wildbienenarten nutzen den Pollen dieser hübschen Staude. Die Skabiosen-Sandbiene, die Skabiosen-Hosenbiene und die Knautien-Sandbiene sind besonders auf sie angewiesen. Auch Schmetterlinge, hier besonders die Widderchen, zieht die Tauben-Skabiose an. Doch nicht nur für nektarsuchende Falter, auch für die Raupen von den seltenen Skabiosenschwärmern und -Scheckenfaltern ist die Pflanze wichtig. Die Samen wiederum sind eine willkommene Mahlzeit für Distelfink und Co.
Die Tauben-Skabiose mag sonnige, trockene und eher kalkhaltige Standorte. In der Natur finden wir sie meist auf Magerrasen. Gegen Trockenstress ist sie hier dank ihrer tiefreichenden Wur-zeln gefeit. Am Naturstandort wird sie etwa 50 Zentimeter hoch. Ähnliche Bedingungen benötigen ihre Verwandten, die Gelbe Skabiose und die Graue Skabiose. Diese haben ihren Verbreitungs-schwerpunkt im Nordosten Deutschlands, während die Tauben-Skabiose fast im ganzen Land natürlich vorkommt.
Die Blüten der Tauben-Skabiose sehen denen der Acker-Witwenblume ähnlich, die jedoch schon viel früher im Jahr blüht. Leicht bestimmen lässt sich die Tauben-Skabiose anhand ihrer fiederteiligen Stängelblätter und ihrer typischen kugeligen Samenstände. Die einzelnen Samen haben jeweils fünf dunkle Borsten.
Auch im Garten und auf dem Südbalkon sorgt sie für späte Farbtupfer. Hier passt sie gut zu Schafgarbe, Steinklee oder Goldhaar-Aster. Ist der Boden nährstoffreich, können die Blüten-stände bis zu 150 Zentimeter hoch werden. Diese kippen dann aber leicht um. Sie samt sich gut an passenden Standorten aus. Für ihre Vermehrung sorgt sie also zuverlässig selbst.
Pflanzenportrait August 2024
Wilde Möhre (Daucus carota)
Stellen Sie sich vor, Sie möchten in einem Restaurant essen gehen. Zur Auswahl steht ein Restaurant, in dem bereits einige Menschen sitzen, sowie ein Weiteres, das noch gänzlich leer ist. Für welches Restaurant würden Sie sich entscheiden? Die meisten Menschen würden Ersteres nehmen.
Wenn wir nun in die Pflanzenwelt schauen, sehen wir ein ganz ähnliches Prinzip: Die Wilde Möhre hat meist eine dunkle Scheinblüte in der Mitte ihres Blütenstands. Vermutlich soll diese einen Insektenbesuch vortäuschen, um weitere Gäste anzulocken. Unsere Pflanze des Monats August hätte diesen Trick aber gar nicht nötig. Die weißen Doldenblüten erscheinen von Juni bis in den September und sind stets reich bevölkert. Meist finden wir dort Käfer und Schwebfliegen, die sich über den gut erreichbaren Pollen und Nektar freuen. Doch auch Falter und Wildbienen lassen sich dort beobachten. Auch die schöne Streifenwanze können wir meist an der Wilden Möhre finden. Sie saugt an den reifenden Samen.
Insgesamt nutzen 25 Wildbienen-Arten den Pollen für ihren Nachwuchs, vor allem Sand-, Furchen- und Schmalbienen. Die Blätter sind zudem ein wichtiges Raupenfutter für viele Falterarten. Besonders imposant ist hier der Schwalbenschwanz, dessen Raupen nur an Doldenblütlern fressen.
Die Wilde Möhre ist die Urform unserer Gartenmöhre. Auch sie hat eine Pfahlwurzel. Allein ihr Duft erinnert schon an das Gemüse. Und auch die Blätter sind wie bei der Gartenmöhre essbar. Allerdings ist hier Vorsicht geboten: Weiße Doldenblütler sehen sich oft sehr ähnlich. Und es gibt giftige Vertreter wie den Gefleckten Schierling oder die Hundspetersilie. Lassen wir sie also lieber stehen.
Als zweijährige Pflanze bildet die Wilde Möhre im ersten Jahr eine Blattrosette, aus der sie im zweiten Jahr ihre Blüte in etwa einen Meter Höhe schiebt. Wir finden sie meist am Wegesrand oder auf Brachen an sonnig-warmen und eher mageren und trockenen Standorten. Auch im Garten und auf dem Südbalkon macht sie sich sehr gut. Pflege benötigt sie keine. Weil sie in ganz Deutschland häufig ist, stehen die Chancen nicht schlecht, dass sie von alleine auftaucht – sofern ihr die Bedingungen zusagen. Ansonsten können wir einfach ein paar ihrer Samen sammeln und an den gewünschten Ort in offener Erde ausstreuen.
Wenn die Blütezeit vorübergeht, rollt sich der Blütenstand wie zu einem Nest zusammen. Insekten nutzen dies gerne als Quartier. In der kalten Jahreszeit bilden die abgestorbenen Pflanzen einen reizvollen Anblick. Einige Vögel, darunter der Stieglitz, machen sich im Winter mit Vorliebe über die nahrhaften Samen der Wilden Möhre her.
Für einige Menschen sind die sattgelben Blüten, die zurzeit besonders an Wegrändern, auf Weiden oder Ackerbrachen erstrahlen, eher ein Ärgernis als ein Grund zur Freude. Das Jakobs-Kreuzkraut, auch „Jakobs-Greiskraut“ oder einfach „JKK“ genannt, ist nämlich sowohl faszinie-rend als auch umstritten. Wenn Pferde von dieser giftigen Pflanze fressen, können die Tiere schwere Leberschäden erleiden. Das ist besonders im Heu problematisch, da hier die abschre-ckenden Bitterstoffe der Pflanze abgebaut sind, die Pflanze aber weiterhin giftig ist. Finden Honig-bienen keine anderen blühenden Pflanzen als das Jakobs-Kreuzkraut, kann es zu einer geringen Alkaloid-Belastung des Honigs kommen.
Daher fordern einige Menschen die Bekämpfung dieser Pflanze. Besonders in Norddeutschland breitet sie sich stark aus. Als Grund für die Ausbreitung wird auch der Klimawandel vermutet. Er sorgt für gute Wachstumsbedingungen. Mag sie doch vollsonnige Standorte, die trocken sind, aber zwischendurch auch mal von Starkregen getränkt werden. Auch die Düngung von Mager-rasen spielt ihr in die Karten, da sie eher auf nährstoffreichen Böden wächst. Vor allem braucht die meist zweijährige Pflanze offene Bodenstellen. Die besiedelt sie schnell. Der Korbblütler produziert tausende flugfähige Samen, die viele Jahre keimfähig bleiben.
Für die Insektenwelt ist das JKK besonders wertvoll: Über 170 Arten leben an und von der Pflanze! Eine Besonderheit ist der Jakobskrautbär. Das ist ein farbenprächtiger Falter, dessen schwarz-gelbe Raupen vom JKK abhängig sind. Die Raupen nehmen die Giftstoffe der Pflanze auf, reichern sie in ihrem Körper an, und werden auf diese Weise für ihre Fressfeinde ungenieß-bar. Auch bei Wildbienen ist die Pflanze beliebt. Insgesamt 11 Arten sammeln hier Pollen, darun-ter verschiedene Mauer-, Sand- und Löcherbienen. Honigbienen dagegen nutzen die Pflanze nur, wenn sie in der Umgebung kein anderes Blütenangebot finden. Gegen verunreinigten Honig hilft also am besten eine reichhaltige Landschaft mit vielen alternativen Blüten!
Ansonsten ist es möglich, das Kraut durch eine Mahd während der Blüte und Nachblüte und mit einer Beweidung durch Schafe in die Schranken zu weisen. Interessanterweise vertragen Schafe die Pflanze. Die Frage ist jedoch: Sollten wir solch eine wertvolle heimische Pflanze überhaupt einschränken? Vielleicht hilft ja der Jakobskrautbär, der mit der Vermehrung des JKK immer bessere Bedingungen findet, ganz automatisch bei der Regulierung der Bestände.
Pflanzenportrait Juni 2024
Wald-Ziest (Stachys sylvatica)
„Wenn du in den Wald ziehst, siehst du den Wald-Ziest.“ Dieser Merksatz ist erfreulicherweise fast noch für das gesamte Bundesgebiet gültig. Unsere Pflanze des Monats Juni ist vor allem in Laub-Mischwäldern noch recht häufig. Dort findet sie gute Bedingungen, denn sie mag es eher schattig, feucht und nährstoffreich.
Der Wald-Ziest ist ein heißer Tipp, da die Auswahl an heimischen, schattenverträglichen und im Sommer noch blühenden Pflanzen im Garten nicht groß ist. Wenn ihm die Bedingungen zusagen, breitet er sich stark aus. Auch an sonnigeren Stellen wächst er, wenn diese ausreichend feucht und nicht zu karg sind.
Während er nur bis zu 30 Zentimeter in die Höhe geht, machen ihn seine Ausläufer zu einem konkurrenzstarken Bodendecker, der durchaus einige Quadratmeter einnehmen kann. Gute Pflanzpartner sind der Wald-Geißbart oder die Türkenbund-Lilie, die ähnliche Bedingungen mögen. Auch auf dem schattigeren Balkon wächst er gut im Topf oder Kasten, wenn wir das Gießen nicht vergessen.
Seine kleinen Lippenblüten, die von Juni bis teilweise in den September hinein erstrahlen, sind besonders hübsch: Sie sind dunkelrot und mit einem weißen Muster durchsetzt. Zudem duften sie angenehm nach Flieder. Das zieht Hummeln und andere Wildbienen an. Die Wald-Pelzbiene, aber auch die Garten-Wollbiene oder die Gewöhnliche Keulhornbiene sammeln am Wald-Ziest Pollen. Auch Schwebfliegen und Falter können wir an den Blüten beobachten.
Die Blätter erinnern an Nesseln und riechen weit weniger angenehm, wenn wir sie zerreiben. Sie sind ebenfalls wichtige Futterquellen: Zahlreiche Schmetterlingsraupen ernähren sich davon, beispielsweise die der Gammaeule, der Gemeinen Nessel-Zünslereule und des Hohlzahn-Kapselspanners.
Mit dem Wald-Ziest im Garten oder auf dem Balkon unterstützen Sie also eine ganze Reihe an Insekten. Haben Sie ihm auch schon einen Platz reserviert?
Unsere Pflanze des Monats Mai hat einen fast unaussprechlichen Namen. Glücklicherweise sind neben der Bezeichnung „Taubenkropf-Leimkraut“ auch die Namen „Gemeines Leimkraut“ oder „Aufgeblasenes Leimkraut“ bekannt, die leichter über die Lippen gehen. Aufgeblasen sehen die Blütenkelche in der Tat aus. Oder eben wie ein Taubenkropf.
Die Blüten zeigen sich von Mai bis in den September hinein und sind rund um die Uhr geöffnet. Ihren angenehmen Duft verströmen sie allerdings erst in den Abendstunden. Das macht sie besonders für Nachtfalter attraktiv. Damit wird das Taubenkropf-Leimkraut auch für Fledermäuse
wichtig, weil Nachtfalter zu ihren Beutetieren gehören.
Neben Faltern bestäuben auch Hummeln die Blüten dieser Leimkrautart. Die Staubbeutel und der Griffel ragen aus ihnen heraus. Der Nektar ist jedoch gut im Inneren einer jeden Blüte ver-steckt. Um an diesen zu kommen, beißen Hummeln die Blüten manchmal an der Seite auf. Weil das der Pflanze, die an der Bestäubung interessiert ist, nicht nützt, spricht man hier auch von „Nektar-raub“.
Für viele Falterarten sind nicht nur die Blüten, sondern auch die Blätter und andere Pflanzenteile wichtig. Die Raupen des Leimkraut-Kapselspanners, der Graubraunen Leimkraut-Kapseleule oder der Staudingers Leimkrauteule tragen ihre Nahrungsvorlieben schon im Namen.
Das Taubenkropf-Leimkraut wächst bevorzugt sonnig auf eher trockenen und nährstoffarmen Böden mit Kalkanteil. Die anspruchslose Pflanze ist ein heißer Tipp für den Garten. Dort macht sie sich gut mit Färberkamille, Wiesen-Flockenblume oder Rundblättriger Glockenblume. Ist der Nährstoffanteil höher, werden die üblicherweise etwa 30 bis 50 Zentimeter hohen Pflanzen schnell größer und können zartere Nachbarn verdrängen. Hier ist also ein wachsames Gärtnerauge
wichtig.
Auch auf sonnigen Balkonen ist das Taubenkropf-Leimkraut eine gute Wahl. Nach Feierabend können wir hier mit ein bisschen Glück ebenfalls Nachtfalter bei einem „Drink“ in der Dämmerung beobachten.
Pflanzenportrait April 2024
Echte Schlüsselblume (Primula veris)
Insbesondere auf Wiesen und an Wegrändern erscheinen nun die schönen sattgelben Blüten der Echten Schlüsselblume. Früher waren die Pflanzen überall in der Landschaft zu sehen. Weil aber ihr bevorzugter Lebensraum – magere, kalkhaltige und extensiv genutzte Wiesen zunehmend verschwindet, werden auch die Schlüsselblumen weniger. Inzwischen ist die Echte Schlüsselblu-me in der Kategorie „Vorwarnliste“ der Roten Liste gelandet. Sie ist in ganz Deutschland heimisch, nur in der nordwestdeutschen Tiefebene finden wir sie nicht.
Wir können der auch „Primel“ genannten Pflanze im Garten einen Platz bieten. Sie mag es recht trocken und sonnig, verschwindet jedoch auch im Halbschatten nicht. Auch vor lichten Gehölzen ist die Echte Schlüsselblume gut aufgehoben, hier aber bevorzugt in Richtung Sonne.
Aus ihrer Rosette mit den typischen runzligen Primelblättern erhebt sich der Blütenstand mit den gelben Röhrenblüten. Deren fünf Blütenblätter haben jeweils noch ein orangenes „Saftmal“. Daran können sich die Bestäuber bei der Nahrungssuche orientieren. Das sind meist Hummeln und Falter, die mit ihren langen Rüsseln den Nektar erreichen. Die Frühlings-Pelzbiene und die Zweifarbige Sandbiene sammeln hier Pollen. Für die Raupen einiger Falter, zum Beispiel von Primel-Erdeule und Schlüsselblumen-Würfelfalter, sind die Blätter eine wichtige Nahrungsquelle.
Die Echte Schlüsselblume ist leicht mit der Hohen Schlüsselblume zu verwechseln. Diese mag es jedoch schattiger. Außerdem fehlen bei ihr die orangenen Flecken auf den Blütenblättern. Die zahlreichen bunten Zuchtformen der Primeln sind auch eng mit der Echten Schlüsselblume ver-wandt, jedoch für den naturnahen Garten weniger geeignet. Während die Zuchtformen schnell in saisonalen Pflanzungen ersetzt werden, ist die Echte Schlüsselblume langlebig, wenn ihr die Be-dingungen zusagen. Dann vermehrt sie sich eigenständig und gut. Zum einen tut sie dies über ein unterirdisches Rhizom. Zum anderen keimen auch ihre Samen gut und tragen so zur Verbreitung bei. Gute Partner, die eine ähnliche Blütezeit haben, sind Frühlings-Platterbse, Duftveilchen oder Blut-Storchschnabel. Auch im Topf oder Balkonkasten ist die Schlüsselblume eine gute Option.
Früher nutzten die Menschen die Pflanze bei Erkältungen, sodass manchmal noch von der Arznei- oder Apotheker-Schlüsselblume die Rede ist. Heute sollten wir uns eher an der Schönheit der Pflanze erfreuen, als sie zu Medizin zu verarbeiten.
Haben Sie auch Schlüsselblumen im Garten? Oder denken Sie darüber nach, Gartenprimeln durch die Echte Schlüsselblume, durch die Hohe Schlüsselblume oder durch andere natürliche Schlüsselblumen zu ersetzen?
Pflanzenportrait März 2024
Der Zweiblättrige Blaustern (Scilla bifolia)
Nach Schneeglöckchen, Krokus und Winterling erscheint jetzt auch der Zweiblättrige Blaustern mit seiner hübschen Blüte in zartem Blau. In Deutschland ist er vor allem im Südwesten hei-misch. Dort finden wir ihn vor allem an Flüssen oder in feuchten Buchenwäldern, wo im Früh-jahr noch genügend Licht auf den Boden fällt.
Er mag es also eher feucht und humos, dazu bevorzugt er warme und sonnige bis halbschattige Stellen. Dort „verwildert“ der Zweiblättrige Blaustern gerne. Das bedeutet, dass er sich von alleine ausbreitet. Dazu bildet er Tochterzwiebeln. Diese werden auch von Wühlmäusen verbreitet. Sei-ne Samen haben zudem ein fettreiches Anhängsel, das Elaiosom. Dies lockt Ameisen an, welche die Samen einsammeln und nach Verwertung des Elaiosoms wieder aus ihrem Staat heraustrans-portieren. Nun können sie an verschiedenen Stellen keimen.
Auch im Topf auf dem Balkon „funktioniert“ die Pflanze gut. Bis zu 12 Einzelblüten pro Traube erfreuen uns Menschen nach der grauen Winterzeit. Und auch Insekten, die schon früh im Jahr unterwegs sind, nehmen den Blaustern-Nektar und -Pollen gerne an. Die Gehörnte Mauerbiene (Osmia cornuta) und die Gewöhnliche Schmalbiene (Lasioglossum calceatum) sammeln seinen Pollen für ihren Nachwuchs.
Der Zweiblättrige Blaustern gehört zu den Geophyten. Das sind Pflanzen, die ein unterirdisches Speicherorgan besitzen und so oft schon früh im Jahr blühen können. Um ihn in den Garten zu holen, stecken wir im Herbst seine Zwiebeln in den Boden. Empfindliche Personen tragen dabei besser Handschuhe, da die Pflanze in allen Teilen giftig ist. Meist finden wir in Gärten jedoch den nahe verwandten und etwas größeren Sibirischen Blaustern (Scilla siberica).
Übrigens: Pflanzennamen sind oft nicht sonderlich originell. Unsere Pflanze des Monats März hat zwei Laubblätter und blaue Blüten in Sternform. Auch der botanische Artname „bifolia“
bedeutet „zweiblättrig“. Beim Zweiblättrigen Blaustern beschreibt also allein der Name die Pflanze schon gut.
Pflanzenportrait Februar 2024
Die Gemeine Hasel (Corylus avellana)
Die Hasel läutet bei uns den Vorfrühling ein. Wenn sie zu blühen beginnt, ist laut der Phänologie der Winter zu Ende. Die Hasel ist einhäusig, sie hat also weibliche und männliche Blüten an der gleichen Pflanze. Die männlichen Blütenkätzchen produzieren Pollen, die von Honigbienen und der Veränderlichen Lockensandbiene gesammelt werden. Die sehr kleinen weiblichen Blüten produzieren weder Pollen noch Nektar. Interessanterweise ist der Strauch für seine Fortpflanzung nicht auf Insektenbesuch angewiesen. Er wird vom Wind bestäubt.
Andersherum ist sie aber im Laufe der Saison eine ausgesprochen wichtige Pflanze für die Sechsbeiner: Die Raupen zahlreicher Nachtfalterarten – darunter Haseleule, Goldafter und Zickzack-Zahnspinner – fressen an ihren weichen Blättern. Und die Schwarzspornige Stängel-biene nutzt die Äste als Nistplatz. Andere Insekten sind gänzlich auf die Hasel spezialisiert, zum Beispiel der Haselnussbohrer. Die Larven dieses Käfers hinterlassen kleine runde Löcher als Spuren in den Nüssen. Die Nüsse sind reich an Fett und Eiweiß und damit auch ein wichtiges Nahrungsmittel für Kleinsäuger wie Eichhörnchen, Siebenschläfer und verschiedene Mausarten. Auch Vögel wie Kleiber oder Eichelhäher fressen sie gerne. Die Nüsse, die in der Regel in
Dreiergruppen wachsen, sind sogar für uns Menschen ein gesundes und vielfältiges Nahrungs-mittel.
Besondere Ansprüche an den Boden stellt der Strauch nicht. Sein Laub verrottet gut und liefert hochwertigen Kompost. Wir sollten aber bedenken, dass die Hasel schnell wächst und fünf bis sechs Meter hoch werden kann! Gleichzeitig wächst Sie gerne in die Breite. Nach einem Rück-schnitt treibt sie wieder kräftig aus. Natürlicherweise finden wir sie in lichten Laubwäldern, am Waldrand oder in Hecken. Dort hilft ihr schneller Wuchs, sich zu behaupten.
In Gärten finden wir oft Korkenzieherhaseln, die nicht so schnell wie die Gemeine Hasel wachsen und deren Äste die typische verdrehte Form aufweisen. Für die Haselnussproduktion hingegen wird meist die aus dem Balkan stammende Lambertshasel genutzt. Diese ist aber kälteempfindlicher als unsere heimische Art. Weil die Gemeine Hasel so wertvoll für die Tierwelt ist, sollten wir sie in jedem etwas größeren Garten haben. Mit ein wenig Glück kommt sie auch ganz von selbst: Oft sind es vergessene Nüsse aus dem Wintervorrat der Eichhörnchen, die im Garten keimen.
Übrigens: Der Vorfrühling mit der blühenden Hasel startet inzwischen etwa drei Wochen früher als noch in den 1950er Jahren. Auch hier ist der Klimawandel deutlich sichtbar.
Der Jahreswechsel bietet Zeit für Ehrungen. Während wir die Grasnelke als von der Loki Schmidt Stiftung gekürten „Blume des Jahres 2024“ schon porträtiert haben, schauen wir heute auf die „Staude des Jahres 2024“: Der Bund deutscher Staudengärtner hat den Blutweiderich aus-
erkoren. Eine gute Wahl!
Er mag es sonnig bis halbschattig und ziemlich feucht. Daher finden wir den Blutweiderich im ganzen Land vor allem am Gewässerrand und an anderen wechselfeuchten und sumpfigen Stellen. Hier sehen wir ihn oft gemeinsam mit dem Großen Wiesenknopf, mit dem Wasserdost oder mit dem Mädesüß. Auch in größeren Gärten können diese Pflanzen gute Nachbarn sein. Alle Stauden erreichen eine ziemlich stattliche Größe:
Allein der Blutweiderich wird bis zu 120 Zentimeter hoch und fühlt sich im Garten am Teichrand, aber auch an etwas trockeneren Stellen wohl. Selbst im großen Topf auf dem Balkon gedeiht er gut. Weil er Staunässe mag, bietet sich hier ein Untersetzer an, in dem immer Wasser steht. Wenn Sie ihn in einen Eimer setzen wollen, der noch keine Abflusslöcher hat, dann helfen Sie hier selbst nach. Aber bohren Sie die Löcher nicht wie üblich an die Unterseite, sondern seitlich in etwa 10 Zentimetern Höhe. So bleibt das Substrat auch über längere Zeit feucht.
Die Blüten sind überaus attraktiv. Im kräftigen, leuchtenden Pink fallen sie schon von Weitem ins Auge. Auch der relativ späte Flor von Juli bis September spricht für die Staude. Sogar abseits von Wasserstellen kommt er zurecht. Hier ist er aber für Wassergaben dankbar. Blutweiderich
bildet viele Samen. Für seine Vermehrung sorgt er selbst. Hierzu brauchen seine Samen offene Bodenstellen.
Für viele Insekten ist der Blutweiderich eine sehr wichtige Pflanze. Blutweiderich-Sägehorn-bienen und Blutweiderich-Langhornbienen sind auf seinen Pollen für den Nachwuchs angewie- sen. Auch Falter schätzen ihn: Sie besuchen nicht nur die Blüten, um Nektar zu schlürfen. Auch für die Raupen des Mittleren Weinschwärmers, des Weiderich-Blütenspanners oder des Faul-baum-Bläulings ist der Blutweiderich eine wichtige Nahrungsquelle. Ebenso finden Schwebflie-gen, Blattkäfer und viele Arten mehr hier Lebensraum.
Ein Hoch auf die „Staude des Jahres 2024“!
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