Berlin/Bonn/Münster - In Deutschland gibt es einen hohen Bedarf an Baustoffen. Für eine nachhaltigere Bauwirtschaft ist es zentral, die
Potenziale von Recycling, nachwachsenden Rohstoffen und effizienten Bautechniken vollständig auszuschöpfen. Wo ein Abbau unvermeidbar ist, bieten sich jedoch Chancen, durch gezielte Maßnahmen
positive Impulse für die Natur zu setzen. In Sand- und Kiesgruben sowie Steinbrüchen können dabei Lebensräume entstehen, die für viele, auch bedrohte Arten, wie den Flussregenpfeifer, die Kreuzkröte
oder die Blauflügelige Sandschrecke, überlebenswichtig sind. Um dieses Potenzial besser zu nutzen, haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Unternehmen und Behörden gemeinsam mit dem
Naturschutzbund Deutschland (NABU) im Projekt „Ganzheitliches Biodiversitätsmanagement in der Baustoffindustrie“ (GiBBS) gemeinsam neue Wege entwickelt.
Gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), entstand ein umfassendes Handbuch, das Unternehmen dabei unterstützt,
Biodiversitätsmaßnahmen nachhaltig in ihren Betrieb zu integrieren. Mit praktischen Anleitungen und konkreten Beispielen zeigt es, wie der Schutz von Lebensräumen sowohl effizient als auch
kostengünstig gelingen kann.
„Die Gewinnung von Sand, Kies oder Kalkstein greift in die Natur ein, doch sie kann auch neue, karge Lebensräume schaffen, die für
Pionierarten unverzichtbar sind“, erklärt Prof. Dr. Christoph Scherber, stellvertretender Generaldirektor des Leibniz-Instituts zur Analyse des Biodiversitäts-wandels (LIB). Forschende des LIB und
der Universität Münster dokumentierten in zwölf Gewinnungsstätten über 1.200 Arten, darunter seltene Pflanzen, Vögel, Amphibien und Reptilien.
Ein entscheidender Erfolgsfaktor des Projekts war der Dialog zwischen den beteiligten Partnern. Das Institut für ökologische
Wirtschaftsforschung (IÖW) untersuchte die Hürden und Chancen für Unternehmen, während der NABU freiwillige Bürger*innen für Monitoring-Projekte schulte. „Mit diesem gemeinsamen Ansatz konnten wir
praktikable Lösungen entwickeln, die Naturschutz und wirtschaftliche Interessen vereinen“, erklärt Anneli Heinrich, Projektleiterin am IÖW.
Auch der Bundesverband Mineralische Rohstoffe (MIRO) war eng eingebunden. „Das Handbuch bietet praxisnahe Anleitungen, wie Unternehmen
biodiversitätsfördernde Maßnahmen umsetzen können, ohne ihre Betriebsabläufe zu beeinträchtigen“, betont Ivonne Arenz von MIRO.
Ein zentrales Ergebnis des Projekts ist, dass Unternehmen Biodiversität nicht als Hindernis, sondern als Chance begreifen können – sei es
zur Verbesserung ihres öffentlichen Images, zur Kooperation mit Naturschutzbehörden oder zur Schaffung eines positiven Arbeitsumfeldes. „Maßnahmen wie die Schaffung von Brut- und Ruheplätzen oder die
Berücksichtigung von Arten bei Betriebsabläufen sind mit wenig Aufwand umsetzbar“, ergänzt Patrick Schöpflin vom IÖW.
„Neben eigenem Fachpersonal und externen Dienstleistern können auch engagierte Bürgerinnen und Bürger das Monitoring unterstützen“,
ergänzt Elena Kortmann, Referentin für Artenschutz-koordination im NABU. Im Projekt GiBBS beteiligten sich insgesamt 30 Freiwillige. Der NABU koordinierte die Einsätze und entwickelte einen
E-Learning-Kurs, um das Artenwissen zu erhöhen und zur Mitwirkung in solchen Citizen-Science-Projekten in Gewinnungsstätten zu befähigen. „Für Naturbegeisterte ist es eine gute Möglichkeit, seltene
Arten in besonderen Lebensräumen zu erleben und sich weiterzubilden. Im Gegenzug können Unternehmen ihr Engagement für Biodiversität aufzeigen", so Kortmann.
Hintergrund: Das Projekt „Ganzheitliches
Biodiversitätsmanagement in der Baustoffindustrie (GiBBS)” entwickelte ein Konzept für den Artenschutz in kleinen, mittleren und großen Rohstoffunternehmen. Beteiligt waren das Institut für
ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW), das Institut für Landschaftsökologie der Universität Münster, das Leibniz-Institut zur Analyse des Biodiversitätswandels (LIB) und der NABU (Naturschutzbund
Deutschland) e.V. Als Praxispartner wirkten intensiv mit: der Bundesverband Baustoffe – Steine und Erden e.V. (bbs), der Bundesverband Mineralische Rohstoffe e.V. (MIRO) und der Bundesverband der
Gipsindustrie e.V. sowie sieben Unternehmen der Branche. Weitere Unternehmen sowie Naturschutzbehörden und Umweltverbände brachten sich in Dialogveranstaltungen ein. Gefördert wurde das Projekt vom
Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) in der Forschungsinitiative zum Erhalt der Artenvielfalt (FEdA) und im Förderschwerpunkt Sozial-ökologische Forschung (SÖF).
Quelle: NABU
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