Die UNESCO hat heute die Traditionelle Bewässerung zum Immateriellen Kulturerbe der Menschheit erklärt. Die jahrhundertealte
landwirtschaftliche Kulturtechnik wurde von Belgien, Italien, Luxemburg, den Niederlanden, Österreich, der Schweiz und Deutschland zur Aufnahme in die UNESCO-Liste vorgeschlagen. Der
Zwischenstaatliche Ausschuss zum Immateriellen Kulturerbe tagt noch bis zum 9. Dezember in Kasane, Botswana.
„Die Entscheidung der UNESCO zeigt, wie wichtig es ist, sich über Ländergrenzen hinweg für die nachhaltige Nutzung unserer natürlichen
Ressourcen einzusetzen. Die Traditionelle Bewässerung ist ein lebendiges Erbe, das einen entscheidenden Beitrag dazu leistet, die biologische Vielfalt unserer Kulturlandschaften zu erhalten. Ich
gratuliere allen, die sich für den Erhalt dieser Kulturtechnik stark machen, zu ihrem Erfolg“, erklärt der Vizepräsident der Deutschen UNESCO-Kommission Christoph Wulf.
Durch die Nutzung der Schwerkraft werden bis heute landwirtschaftliche Flächen bewässert. Bewässerungsgemeinschaften leiten Wasser aus
Flüssen und Kanälen auf Felder und Wiesen um. Dafür werden vorübergehend kleine Gräben ausgehoben oder das Wasser aufgestaut, um künstliche Überläufe zu schaffen. In Deutschland ist diese Form der
Bewässerung unter anderem entlang der Flüsse Rednitz, Regnitz und Wiesent in Franken sowie im Gebiet der Queich in Rheinland-Pfalz bis heute lebendig.
„Der Prozess der Bewerbung war mit einem regen Austausch zwischen den Trägergruppen in Europa, gegenseitigen Besuchen und dem Entstehen
persönlicher Freundschaften verbunden. Dies stärkte das Bewusstsein für diesen gemeinsamen kulturellen Schatz, den es zu bewahren gilt. Gleichzeitig reifte die Erkenntnis, dass die Traditionelle
Bewässerung nicht nur in der Vergangenheit eine existenzielle Bedeutung hatte, sondern auch wesentlich zur Lösung von gegenwärtigen und zukünftigen Herausforderungen beitragen kann, wie zum Beispiel
beim Hochwasserschutz, beim Klimaschutz, beim Landschaftswasserhaushalt und beim Schutz der Biodiversität. Wir sind glücklich, dass Deutschland mit gleich zwei Regionen an diesem Eintrag beteiligt
ist“, betont der Koordinator der Interessengemeinschaft Queichwiesen Pirmin Hilsendegen.
Die Traditionelle Bewässerung basiert auf einem umfassenden Verständnis der Landschaft, des Wasserflusses und der Wetterbedingungen. Dieses
Wissen bezieht alle natürlichen und technischen Faktoren ein und wird von Generation zu Generation weitergegeben. Dazu zählen etwa Kenntnisse über den Bau und die Wartung von Kanälen, Gräben und
Rinnen, Erfahrungen zu Bewässerungszeiten und -mengen sowie über die Richtlinien zur Wasserverteilung, die in sogenannten Wasser- oder Kehrordnungen zusammengefasst sind.
„Die Traditionelle Bewässerung ist eine Quelle der regionalen Identität und der kulturellen Erinnerung.
Wässerwiesen als Zeugnis jahrhundertelanger Anpassungen an einen steten Wandel sind lebendige Beispiele für ein ausbalanciertes Gleichgewicht zwischen Natur und Mensch und Wegweiser für nachhaltiges
Handeln heute und morgen“, erläutert Roland Lindacher, der beim Landkreis Forchheim in Franken für die Wässerwiesen zuständig ist.
Diese nachhaltige und auf Kooperation basierende Form der Wasserversorgung dient dazu, trockene Gebiete zu kultivieren. Neben dem
landwirtschaftlichen Nutzen hat die Technik auch positive Effekte für die Biodiversität. So entwickeln sich in den wechselfeuchten Wiesen kleinteilige Strukturen mit großer Artenvielfalt. In
Deutschland bieten diese Kulturlandschaften etwa dem Weißstorch Nahrung und Lebensraum.