23. Mai 2024
Seerecht verpflichtet zu Klimaschutz
• | Stellungnahme des Internationalen Seegerichtshof: Internationales Seerechtsübereinkommen verpflichtet Staaten zu Klimaschutz | |
• | Richtungsweisendes Rechtgutachten unterstreicht die Notwendigkeit Treibhausgasemissionen zu reduzieren, um die Meeresumwelt zu schützen | |
• | WWF: ”Klimaschutz und Meeresschutz müssen Hand in Hand gehen“ |
Hamburg: Das internationale Seerechtsübereinkommen (UNCLOS) verpflichtet Mitgliedsstaaten dazu die Emission von Treibhausgasen zu verhindern, zu reduzieren und zu kontrollieren, um die
Meeresökosysteme zu schützen. Dies hat der Internationale Seegerichtshof in Hamburg heute in einem Rechtsgutachten dargelegt. Die Kommission kleiner Inselstaaten hatte die höchstgericht-liche
Stellungnahme zur Klärung der Klimaschutzverpflichtungen im Dezember angefragt. Der WWF zeigt sich erfreut und sieht seine Forderung nach besserem Schutz von Klima und Meeren durch das Gutachten
bestärkt.
„Dies ist ein wichtiger Meilenstein. Wir begrüßen das Gutachten des Internationalen Seegerichts-hof als richtungsweisendes Signal an die Staatengemeinschaft, Klimaschutz und Meeresschutz ernst zu
nehmen: Die Mitgliedsstaaten des Seerechtsabkommens sind verpflichtet, die Meeres-umwelt zu erhalten und das umfasst auch die Pflicht, die Ozeane vor den Auswirkungen der Klimakrise zu schützen. Das
hat das Gericht heute klargestellt“, kommentiert Julika Tribukait, Meeresschutzexpertin beim WWF Deutschland. „Klimaschutz und Meeresschutz müssen Hand in Hand gehen. In der Praxis bedeutet
das, die Staaten müssen ihre Treibhausgasemissionen rasch und wirksam reduzieren und gleichzeitig den Meeresschutz vorantreiben, indem z.B. wichtige Lebensräume von menschlicher Nutzung ausgenommen
oder renaturiert werden. Treibhausgase sind eine Form der Verschmutzung, die zunächst die Atmosphäre und anschließend die Meeresumwelt betrifft“. Seit den 1980er Jahren hat der Ozean etwa 20
bis 30 Prozent des von Menschen erzeugten CO2 und über 90 Prozent der Wärme aufgenommen.
„Um die Klimakrise zu bewältigen sind wir auf die Meere angewiesen, sie puffern einen Großteil des Temperaturanstiegs ab, doch die Meere leiden dabei massiv: Mit der Erwärmung der Ozeane beginnt eine
Kaskade aus schmelzendem Meereis, steigendem Meeresspiegel, marinen Hitze-wellen, Versauerung und Sauerstoffentzug der Meere, deren Anzeichen bereits überall sichtbar sind“, warnt Tribukait
weiter. Für kleinen Inselstaaten und Küstengemeinden weltweit ist der Meeresspiegelanstieg eine unmittelbare Bedrohung. In der Summe bedrohen diese Veränderun-gen im Meer auch die marine
Artenvielfalt und ihre wichtigsten Lebensräume. Ein erschreckendes aktuelles Beispiel ist die derzeitige Massenbleiche von Korallen an tropischen Riffen rund um den Globus. Bei einer Erwärmung um 2°C
erwarten Forscher, dass über 99 Prozent der Korallenriffe verschwinden werden, in einem 1,5 °C-Szenario sind die Überlebenschancen für Korallenriffe, die für den Küstenschutz und die Biodiversität
wichtig sind, besser.
Zwar ist das heutige Gutachten nicht rechtlich bindend, doch es klärt die Verpflichtungen der Mitgliedsstaaten des Seerechtsübereinkommens und sollte starken Einfluss auf nationale Entscheidungen
haben. Angesichts der Stellungnahme fordert der WWF die Mitgliedsstaaten auf, wirksame Maßnahmen zur Treibhausgasreduktion in ihre erneuerten Pläne zum Schutz der Biodiversität (NBSAPs) und in ihre
überarbeiteten Klimaschutzpläne(NDCs) aufzunehmen, die im kommenden Jahr vorliegen müssen. Zudem gelten derartige Gutachten als entscheidender Referenzpunkt für nationale und internationale Gerichte,
die in Klageverfahren urteilen müssen. Auch für ein ähnliches Verfahren, das derzeit vor dem Internationalen Gerichtshof (ICJ) läuft, dürfte die heutige Stellungnahme bedeutsam
sein.
Weitere Informationen:
• | Das Seerechtsabkommen der Vereinten Nationen (UNCLOS) legt die für die Meere und Ozeane der Welt geltende Rechtsordnung fest und trat 1994 in Kraft. Es regelt die Nutzung des Ozeans und seiner Ressourcen und enthält eine Verpflichtung „zum Schutz und zur Erhaltung der Ozeane“ (Artikel 192). 169 Staaten haben sich zur Einhaltung des Abkommens verpflichtet. 2023 wurde UNCLOs durch ein Zusatzabkommen (UNCLOS BBNJ) ergänzt, das Erhaltung und nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt in der Hohen See, d.h. den Meeresregionen außerhalb nationaler Gerichtsbarkeiten, regelt. | |
• | Der WWF hatte im Vorfeld eine Darlegung, einen sogenannten Amicus-Schriftsatz, beim Internationalem Seegerichtshof eingereicht. | |
• | Der Fall vor dem Internationalen Seegerichtshof ist einer von mehreren, in denen es um die Klärung staatlicher Verpflichtungen zum Klimaschutz geht. | |
• | Im April 2023 hat die Generalversammlung der Vereinten Nationen den Internationalen Gerichtshof (ICJ) aufgefordert, in einer Stellungnahme zu klären, welche Klimaschutzverpflichtungen sich aus dem gesamten Kanon des internationalen Rechts ergeben und welche rechtlichen Konsequenzen Staaten bei Nichteinhaltung drohen. Diese Stellungnahme wird für Anfang 2025 erwartet. | |
• | Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hatte kürzlich geurteilt, dass die Schweizer Klimapolitik Menschenrechte verletzt. Ein vergleichbares Verfahren findet zudem aktuell for dem Inter-Amerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte statt. |
Quelle: WWF
|