10. Mai 2023
EU-Fischerei: Entscheidende Verhandlungen drohen zu platzen
Bundesregierung kann ökologische Katastrophe verhindern
• | EU-Umweltkommissar Virginijus Sinkevičius hat gewarnt, dass die Kommission die Verhandlungen über die EU-Fischerei-Kontrollverordnung platzen lassen könnte, wenn EU-Parlament und Mitgliedstaaten bisherige Regeln für die genaue Meldung von Fischfängen aufweichen. | |
• | Vorschläge zur Lockerung dieser sogenannten Toleranzspanne drohen, Überfischung in Europas Gewässern und darüber hinaus zu legalisieren, mit dramatischen Folgen für die Artenvielfalt der Meere und die globale Ernährungssicherheit. Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir hat sich bisher nicht öffentlich gegen die Vorschläge positioniert. | |
• | Die Lockerung hätte zudem negative Auswirkungen für die deutsche Fischerei: In der Ostsee trug eine 2016 eingeführte Ausweitung der Toleranzspanne dazu bei, dass wichtige Fischpopulationen zurückgegangen sind. |
Berlin: Umweltkommissar Virginijus Sinkevičius hat in seiner Rede vor dem Fischereiausschuss gewarnt, dass die Verhandlungen über
die Kontrollverordnung für die EU-Fischerei platzen könnten, sollten EU-Parlament und Mitgliedstaaten die Regeln für die Genauigkeit der Meldungen von Fangmengen aufweichen. Die Vorschläge zur
Lockerung dieser sogenannten Toleranzspanne drohen, eine dramatische Untererfassung von Fängen zu legalisieren – und damit zu mehr Überfischung zu führen.
Die Überarbeitung der Fischerei-Kontrollverordnung gilt als das wichtigste EU-Legislativvorhaben dieses Jahrzehnts. Sollte die EU-Kommission ihre Drohungen wahr werden lassen, würde dies das
Scheitern der Verhandlungen bedeuten und den Reformprozess beerdigen, der im Sommer 2018 begann.
Der für Fischerei zuständige Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir betonte beim Ratstreffen im März, dass Deutschland den Meeresschutz entsprechend der im Koalitionsvertrag verankerten
Meeresoffensive verstärken wird. Bislang hat er sich jedoch nicht öffentlich gegen die Ausweitung der Toleranzspanne ausgesprochen.
Die Toleranzspanne ist die Spanne, die es Fischerei-Kapitänen erlaubt, vom eigentlichen Fanggewicht per Schätzung abzuweichen. Aktuell dürfen dokumentierte Fangmengen 10 % von der tatsächlichen
Fangmenge abweichen. Diese Regelung gilt für jede gefangene Fischspezies. Einige EU-Mitgliedstaaten beabsichtigen, diese Regulierung aufzuweichen: ihre Vorschläge im Rat der EU sehen eine
Toleranzspanne vor, die sich auf die Gesamtfangmenge und nicht auf die einzelnen Arten bezieht wie bisher.
In der Ostsee hat eine solche Lockerung dazu beigetragen, dass bedeutende Fischpopula-tionen stark zurückgegangen sind. Wird sie auch andernorts angewandt, könnten bereits gefährdete
Populationen noch stärker unter Druck geraten; über die EU-Gewässer hinaus könnte die Ernährungssicherheit von Millionen von Menschen bedroht sein. Zudem verstoßen die möglichen Änderungen
gegen EU- und internationales Recht.
Wenn sich die Bundesregierung glaubwürdig für eine legale, nachhaltige Fischerei und den Schutz mariner Ökosysteme und ihrer Artenvielfalt einsetzen will, muss sie jetzt ein klares Zeichen der
Unterstützung an die EU senden. Minister Özdemir hat den Auftrag – wie im Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung vereinbart – sicherzustellen, dass die Bundesregierung auf EU-Ebene eine
faire, wissenschaftsbasierte Ermittlung der Fangquoten einfordert. Dafür muss sie dringend zusichern, dass Deutschland die Kompromissvorschläge der EU-Kommission zur Toleranzspanne unterstützt und
gegen jedes Mandat des Rates stimmen wird, das nicht gewährleistet, dass Fänge per Spezies genau gemeldet werden müssen.
Steve Trent, Geschäftsführer (CEO) der Environmental Justice Foundation:
„Genaue Angaben zu Fangmengen sind absolut wesentlich für eine nachhaltige Fischerei. Die Bundesregierung hat jetzt die Chance, die Versprechen, die von der internationalen Gemeinschaft auf der
UN-Weltnaturkonferenz gemacht wurden, einzuhalten. Wenn es der Bundesregierung ernst ist, unsere Meere wirksam für heutige und künftige Generationen zu schützen, muss sie sich in den
Trilogverhandlungen gegen das Aufweichen der Toleranzspanne in der EU-Fischerei-Kontrollverordnung aussprechen.“
Stella Nemecky, Senior Policy Advisor EU Fisheries Policy, WWF Deutschland:
„Die Bundesregierung verspricht in ihrem Koalitionsvertrag, sich für faire und wissenschaftsbasierte Fangquoten einzusetzen. Diese lassen sich nur festsetzen, wenn klar ist, was und wie viel in den
Netzen landet. Die Aufweichung der Toleranzspanne droht die Überfischung auf Jahre zu befeuern. Deutschland muss sich deshalb jetzt im Rat der EU an die Seite der EU-Kommission stellen und für eine
genaue Meldung der Fänge starkmachen.“
Interessierte Bürger*innen können selbst aktiv werden und Bundesminister Özdemir unter folgendem Link eine vorgefertigte E-Mail mit entsprechendem Handlungsaufruf
schicken:
https://mitmachen.wwf.de/beschuetzer-der-meere
Quelle: Gemeinsame Pressemitteilung von EJF und WWF
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