10. September 2025 | Einzigartiges Geotop in Folge
des Klimawandels verschwunden
Eiskapelle am Watzmann eingestürzt
Sie war eines der 100 bedeutendsten Geotope Bayerns und eine besondere Sehenswürdigkeit im Nationalpark Berchtesgaden – jetzt ist sie verschwunden: Die Eiskapelle am
Fuß der Watzmann Ostwand ist eingestürzt – eine Folge des fortschreitenden Klimawandels. Forschende hatten das
Verschwinden der Eiskapelle vorhergesagt, über den frühen Zeitpunkt des Einsturzes sind aber auch die Experten überrascht. Ob sich die Eiskapelle als Hohlraum im
Inneren des Firneisfeldes auf nur 900 Metern Höhe neu ausbilden wird, ist fraglich.
„Es ist bedrückend und schockierend zugleich, dass die Eiskapelle, die bereits Alexander von Humboldt im November 1797 besuchte, nun einfach weg ist. Damit verlieren wir
nicht nur eine wichtige regionale Sehenswürdigkeit, sondern auch ein überregional wertvolles Geotop“, bedauert Nationalparkleiter Dr.
Roland Baier. „Der Einsturz der Eiskapelle ist ein für alle deutlich sichtbarer Beleg dafür, welche Veränderungen im Klimawandel hier vor Ort auf uns zukommen. Dem
Verschwinden der Eiskapelle werden den Prognosen nach in wenigen Jahren unsere beiden Gletscher folgen. Dies zeigt, wie wichtig es ist, dass sich unsere Forschung im
Nationalpark schwerpunktmäßig mit den Folgen des Klimawandels befasst.“
In Summe schmolzen seit 1953 bis 2024 knapp eine Million Kubikmeter Firneis der Eiskapelle ab, seit Ende 2019 hatte die Eiskapelle mehr als 575.000 Kubikmeter Firneis verloren
– eine enorme Menge. Die vergangenen Winter waren schneearm, die Sommer sehr warm: keine guten Voraussetzungen für den Fortbestand
des Geotops. Die warmen Niederschläge der vergangenen Wochen beschleunigten das Abschmelzen, bis die Eiskapelle schließlich nach und nach in sich
zusammenbrach.
Andreas Wolf, Vorsitzender des Verbandes der Deutschen Höhlen- und Karstforscher e.V., kennt die Eiskapelle wie kaum ein anderer. Seit 1994 vermisst und
kartografiert er zusammen mit dem Institut für angewandte Karst- und Höhlenkunde, der Technischen Universität München (bis 2007) sowie
dem Labor für geodätische Messtechnik der Hochschule München jährlich die gesamte
Eiskapelle. Geodätische Aufnahmen der Firneisfläche liegen seit 1953 vor. „Mit den Flächenzu-wächsen durch die schneereichen Winter zwischen 2017 und 2019 war die Hoffnung groß,
dass die Eiskapelle wieder Eisstände wie in den 1980er Jahren erreichen könnte“, erklärt der Wissenschaftler. Die Hoffnungen haben sich
nicht bestätigt. „Zwischen 2019 und 2022 hat die Eiskapelle gut die Hälfte ihrer Fläche verloren und schrumpfte von 37.800 auf 18.900 Quadrat-meter. Doch dass der Kollaps schon im
Sommer 2025 passiert, hat die deutsche Höhen-forschung überrascht“, so Wolf. Ob die Eiskapelle nun für immer verschwunden ist, oder
ob
sie sich neu bilden kann, möchte der Wissenschaftler nicht vorhersagen:
„Am Ende des Eisgrabens am Fuße der Watzmann Ostwand werden sich
auch in Zukunft winter-liche Niederschlagsmassen in Form von Lawinenschnee sammeln und ein Firneisfeld mit einem Höhlensystem bilden. In welcher Größe und in welchem Ausmaß, wird die
Zukunft zeigen. Grundsätzlich bin ich zuversichtlich, dass ein oder mehrere kalte und schneereiche Winter vielleicht wieder eine
kleinere Eiskapelle entstehen lassen“. Wolf und sein Team werden Ende Oktober 2025 wieder im Nationalpark sein, um ihre jährlichen Vermessungen des Firneisfeldes
durchzuführen
.
Durch den Zusammenbruch der Eiskapelle sind akute, alpine Gefahren entstanden, auf die Wissenschaftler und Nationalparkverwaltung gleichsam aufmerksam machen: „Wir warnen
Wanderer eindringlich vor dem Betreten der Reste der Eiskapelle, es herrscht im gesamten Bereich der Eiskapelle
akute Steinschlaggefahr. Auch der letzte, noch stehende Eisbogen und die Eiswände am Rand können jederzeit zusammenbrechen. Vor Ort kracht und rumpelt es im
Minutentakt“, warnt Nationalparkleiter Dr. Roland Baier. Andreas Wolf ergänzt: „Durch den vollständigen Verlust des Widerlagers der Firneismassen verliert der südliche
Moränenhang im Eisgraben weiter an Stabilität. Große Felsblöcke gleiten auf dem feinsplittrigen, aufgelockerten Material den Hang hinab
und gefährden Personen im Bereich des Eisgrabens. Hier können lebensbedrohliche Situationen entstehen.“ Vom Einsturz der Eiskapelle sind auch die Zustiege in die Watzmann-Ostwand betroffen.
Ostwand-Gehern wird dringend geraten, sich vorab über die
aktuelle Situation vor Ort zu informieren.
Quelle: Nationalparkverwaltung Berchtesgaden