10. Oktober 2022 | Naturschutz/Umwelt
NABU: Statement zur Änderung im neuen Niedersächsischen Naturschutzgesetz
Gesetzesänderung klammert artenreiches Deichgrünland aus
Hannover – Dr. Holger Buschmann, Landesvorsitzender des NABU Niedersachsen, kommentiert die Positionierung des niedersächsischen Umweltministers Olaf Lies zur Änderung im neuen Niedersächsischen Naturschutzgesetz (NNatSchG) wie folgt:
„Durch die vom Niedersächsischen Landtag beschlossene Gesetzesänderung werden die auf Deichen und im Deichvorland vorhandenen Biotope außer Schutz genommen. Ausnahmen soll es für Flächen im Nationalpark geben. Damit konterkarieren die Regierungsparteien SPD und CDU die beschlossenen Vereinbarungen zum Niedersächsischen Weg, in dessen Verhandlungen das artenreiche Deichgrünland gerade erst als geschütztes Biotop gesichert wurde. Dies überraschte den NABU ganz besonders, da erst am 17. September die Vertreter der niedersächsischen Fraktionen SPD, CDU, Bündnis90/Die Grünen und FDP – darunter Umweltminister Olaf Lies und der stellvertretender Ministerpräsident Dr. Bernd Althusmann – auf der NABU-Landesvertreter-versammlung in Verden sich unisono für die Weiterführung des Niedersächsischen Weges ausgesprochen haben.“
Die Argumentation des Umweltministers Olaf Lies dahingehend, dass die vorgenommenen Änderungen im Naturschutzgesetz mit Blick auf den Hochwasser- und Küstenschutz notwendig waren, hält Dr. Buschmann für irreführend: „Es wäre möglich gewesen, beispielsweise nach Deicherhöhungsmaßnahmen eine Pflicht zur erneuten Anlage artenreichen Grünlandes festzulegen und somit Verfahren zu vereinfachen. Das hätte dem Hochwasser- und Küstenschutz keinen Abbruch getan. Stattdessen werde nun lediglich das Anlegen von artenarmen Wiesen oder sogar Betonflächen ermöglicht, wenn artenreiches Grünland nicht nur auf, sondern auch an den Deichen zerstört wird. Aufgrund der Vielzahl an Deichen im Norden Niedersachsens gehen so große Flächen für den Schutz der Biodiversität und des Biotopverbunds verloren.“ Ob die Deiche nur einen Anteil von 3% am artenreichen Grünland in Niedersachsen haben, bezweifelt der NABU darüber hinaus, da den Behörden keine aussagekräftigen Daten zur Fläche des artenreichen Grünlandes in Niedersachsen vorlägen. Die Daten seien stark veraltet und gleichzeitig sei das artenreiche Grünland in Niedersachsen in den letzten Jahrzehnten massiv zurückgegangen, während es sich auf den Deichen voraussichtlich weitgehend erhalten hat. Er gehe daher von einer weit höheren Prozentzahl aus, die aber erst nach Abschluss der derzeit landesweit laufenden Kartierungen greifbar wird.
Der NABU-Landesvorsitzende appelliert an alle am Niedersächsischen Weg Beteiligten und die zukünftige Landesregierung, sich über das negative Ausmaß dieser Entscheidung bewusst zu werden und gegenzusteuern: „Die vorgenommene Gesetzesänderung hat so weitreichende Folgen, dass sie zwingend mit den Partnern des Niedersächsischen Weges hätte diskutiert werden müssen. Eine entsprechende Abstimmung ist nicht erfolgt. Daher verbleiben nur die Möglichkeiten, die Gesetzesänderungen zurückzunehmen oder einstimmig neue Formulierungen zu finden, die den Vereinbarungen zum Niedersächsischen Weg gerecht werden. Der NABU hat gegenüber den Partnern seine Gesprächsbereitschaft deutlich gemacht, erwartet aber auch ein entsprechendes Ergebnis, das dem Küstenschutz und dem Naturschutz gerecht wird.“
Hintergrund
Im Frühjahr 2020 ist unter Mitinitiative des NABU Niedersachsen das Volksbegehren „Artenvielfalt.Jetzt!“ zur Rettung der Artenvielfalt in Niedersachsen mit dem Ziel gestartet, das Niedersächsische
Naturschutz-, Wasser- und Waldgesetz so zu ändern, dass Bienen, Schmetterlinge und Co. wieder intakte Lebensräume vorfinden. Zahlreiche NABU-Gruppen und Aktionsbündnisse haben in ganz Niedersachsen
erfolgreich 162.530 Unterschriften gesammelt und auf das Volksbegehren aufmerksam gemacht.
Dank dieses beeindruckenden Engagements und dank jeder einzelnen Unterschrift, konnte das Volksbegehren vorzeitig zum Erfolg gebracht
werden. Denn aufgrund des Drucks, der durch das Volksbegehren und die gesammelten Unterschriften entstanden ist, startete die Landesregierung einen Dialog zwischen Landwirtschafts- und
Umweltverbänden sowie der Landesregierung, aus dem der Niedersächsische Weg hervorging. In dessen Rahmen wurde von den Beteiligten konstruktiv und intensiv gemeinsam an den Gesetzestexten,
Verordnungen und Programmen gearbeitet und so ein bedeutender Schritt für mehr Artenvielfalt in Niedersachsen gegangen.
Schon allein dieser Dialog war ein absolutes Novum und ein Meilenstein in der niedersächsischen Naturschutzgeschichte. Die erarbeiteten Gesetze, Verordnungen und Programme wurden am 29. Oktober 2020
von den Beteiligten öffentlich vorgestellt und am 10. November 2020 vom Parlament verabschiedet. Der NABU Niedersachsen beteiligte sich auch weiterhin am Dialog, damit gemeinsam das Ziel erreicht
wird, das Artensterben zu stoppen und begleitete die weiteren Entwicklungen mit sachlichem und kritischem Blick.
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Quelle: NABU Niedersachsen – Pressestelle
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