23. Januar 2023 | Gänsestudie
NABU begrüßt Studie zu nordischen Gänsen und deren Fraßverhalten
Studie ist Grundlage für eine faire Honorierung der landwirtschaftlichen Verluste und räumt mit Falschbehauptungen
auf
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Hannover – Am Donnerstag, den 19. Januar 2023, erschien eine unter Leitung des Nieder-sächsischen Umweltministeriums erstellte Langzeitstudie zu den Fraßschäden der in Nieder-sachsen überwinternden arktischen Gänse. Die europaweit erste Studie dieser Art ist ab jetzt in der aktuellen Ausgabe der renommierten Fachzeitschrift „Journal of Applied Ecology“ nachzulesen.
In der Studie geht es darum, die Biomasseverluste durch Gänsefraß zu quantifizieren, um eine fundierte und sachliche Basis für zukünftige Debatten im Artenschutz zu schaffen und faire Ausgleichszahlungen für die niedersächsischen Landwirtinnen und Landwirte in den Hauptge-bieten der Gänserast zu bestimmen. Bereits Mitte der 1990er Jahre hat das Land Niedersachsen begonnen, Verluste beim ersten und zweiten Grasschnitt zu quantifizieren. Dafür wurden vor der ersten Rast auf den Grünflächen im Rheiderland Schutzkörbe aufgestellt, die für weidende Gänse unzugänglich waren. Nach den jeweiligen Rastperioden im Frühjahr wurden diese hinsichtlich Biomasse und Grasqualität (Energiegehalt, Proteingehalt, Fasergehalt und Asche) mit den für die Gänse zugänglichen Flächen verglichen. Aufgrund der parallellaufenden wöchentlichen Erfassung aller Gänse erlauben die Ergebnisse eine Korrelationsanalyse zwischen den Biomasseverlusten und dem Gänseaufkommen.
Die Studie kommt zu einleuchtenden Ergebnissen: Die Gänsezahlen haben in diesem Zeitraum zugenommen. Gleichzeitig haben auch die Schäden im Grünland kontinuierlich zugenommen, jedenfalls was den ersten Schnitt betrifft. Ursächlich für die Zunahme der Schäden ist der Anstieg der Nonnengansbestände. Die Zunahme der Schäden korrespondiert mit der Zunahme dieser Bestände und deren verändertem Zugverhalten. Seit Ende der 2000er Jahre verbleibt ein immer größerer Anteil an Nonnengänsen drei bis vier Wochen länger im Rheiderland. Blässgänse haben hingegen keinen nachweisbaren Einfluss auf die landwirtschaftlichen Verluste. Es zeigte sich sogar, dass je mehr Blässgänse auf einer Fläche nachgewiesen wurden, desto geringer waren die Schäden. „Diese Erkenntnis ist für den Artenschutz von besonderer Bedeutung. Denn sie zeigt, dass Blässgänse nicht gejagt werden müssen, um landwirtschaftliche Verluste zu vermeiden. Bei den Blässgänsen besteht zudem auch immer die Verwechslungsgefahr mit der streng geschützten Zwerggans“, sagt Dr. Holger Buschmann, Landesvorsitzender des NABU Niedersachsen. Anzumerken ist zudem, dass der Zuwachs beider Gänsearten in den letzten Jahren zum Stillstand gekommen ist. Bei der Blässgans gibt es im Rheiderland bereits seit etwa 15 Jahren keinen Zuwachs mehr.
Die Studie trifft darüber hinaus Aussagen über die Qualität des Grünschnitts. So hat der Energiegehalt im Grünschnitt bei der ersten Mahd über die letzten 20 Jahre signifikant zugenommen. Die höheren Energiewerte sind auf die intensivere Grünlandbewirtschaftung zurückzuführen. Für die überwinternden Gänse ist dies vorteilhaft. Auf die Wiesenvögel wirkt sich dieser Umstand jedoch negativ aus. Dies erklärt auch, weshalb in den meisten Grünlandgebieten mit Vorkommen arktischer Gänse und Wiesenvögel, die erste Gruppe deutlich zugenommen und die letzte Gruppe erheblich abgenommen hat. Somit gibt es keinen negativen Einfluss der Gänse auf Wiesenvögel, wie oft behauptet wird.
Weitere interessante Ergebnisse sind zum einen dass die arktischen Gänse hinsichtlich Ertrag und Qualität ausschließlich Einfluss auf den ersten Grasschnitt hatten, nicht jedoch auf die Folgeschnitte und zum anderen eine Kontamination des Silageschnittes mit Gänsekot nicht festgestellt werden konnte.
Der NABU Niedersachsen ist erfreut über diese sehr ausführliche Langzeitstudie. Dr. Holger Buschmann: „Bei dieser Studie handelt es sich um die derzeit umfangreichste und beste Studie in ganz Europa zum Thema Gänsefraßschäden auf Grünland, die endlich mit immer wieder verbreiteten Falschbehauptungen aufräumt. Wir bedanken uns daher beim Niedersächsischen Umweltministerium für die Finanzierung dieser wichtigen Langzeitstudie und für deren Publikation in einer renommierten und international weit verbreiteten Zeitschrift.“
Hintergrund: Dem Land Niedersachsen kommt für die überwinternden arktischen Gänse eine bedeutende Rolle zu. Jedes Jahr überwintert eine große Anzahl an arktischen Gänsen auf Niedersachsens Grünflächen. Aufgrund der hinterlassenen Fraßschäden kommt es jedoch immer wieder zu Konflikten. Das Land Niedersachsen zahlt, kofinanziert durch die EU, jährlich bereits 8 Millionen Euro an landwirtschaftliche Betriebe, um einen gerechten Ausgleich für diese Schäden zu erzielen. Mit der veröffentlichten Langzeitstudie liegt nun eine fundierte und sachliche Basis für zukünftige Debatten um Artenschutz, Fraßverhalten und Ausgleichszahlungen an die betroffenen landwirtschaftlichen Betriebe vor.
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Quelle: NABU Niedersachsen
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