21. Dezember 2022 | Gänsejagd
NABU prangert vermehrte Jagd auf geschützte Vogelarten an
Strafverfolgung muss dringend intensiviert werden
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Hannover – Bereits am 24. November wurden bei Twist im Landkreis Emsland 37 Gänsekadaver auf einem Acker gefunden. Obwohl bei der ersten Untersuchung eines Tieres eine Graugans bestimmt wurde, äußert der NABU Niedersachsen erhebliche Zweifel daran, dass es sich bei allen Tieren nur um Graugänse handelt. Im Winter sind die meisten Gänse im Emsland Saat- oder Blässgänse, die sich häufig mit Graugänsen vermischen. Im Flug können diese Arten vor allem in der Dämmerung nicht sofort voneinander unterschieden werden, was die Vermutung nahelegt, dass unter den toten Tieren auch Individuen der besonders geschützten Saat- oder Blässgans vertreten sind.
„Das niedersächsische Jagdrecht sieht für Saat- und Blässgänse keine Jagdzeiten vor, so dass die Jagd auf sie ganzjährig verboten ist. Werden diese Arten trotzdem geschossen, handelt es sich um eine Straftat, die entsprechend geahndet werden muss“, sagt Dr. Holger Buschmann, Landesvorsitzender des NABU Niedersachsen. Auch deshalb zeigt sich der NABU empört darüber, dass weder die Jagd- und Naturschutzbehörden des Landkreises Emsland noch die Polizei die toten Tiere im Hinblick auf die Artzugehörigkeit bestimmt haben. „Nur, wenn die Arten genau bestimmt werden, kann eine solche Tat entsprechend geahndet werden“, so Dr. Buschmann weiter.
Illegale Jagd und Fehlabschüsse scheinen zum Normalfall in Niedersachsen zu werden
Erst im letzten Jahr hatte es im Emsland einen Fall von illegalen Abschüssen gegeben. Mehrere streng geschützte und mittlerweile seltenen Zwergschwäne, die sich in einem
Naturschutzgebiet aufhielten, sind mit Schussverletzungen, die auf jagdliche Aktivitäten zurückzuführen sind, aufgefunden und in einem Anhänger tot geborgen worden. Auf die Schliche kam man den
Jägern, weil die Zwergschwäne im Rahmen eines NABU-Projektes besendert worden waren. Die Verfolgung wurde vorerst eingestellt, weil die Täter behaupteten, die Tiere seien nur von ihrem
Leid erlöst worden. Allerdings ergaben die Senderdaten und auch die Obduktionsuntersuchungen keinen Hinweis auf ein vorheriges Leiden.
Abgesehen von solchen illegalen Abschüssen, die einzelne Tiere treffen, werden beispielsweise im Vogelschutzgebiet Tongrube Oberhammelwarden - mit Genehmigung des Landkreises Wesermarsch - immer noch sogenannte Gesellschaftsjagden abgehalten. Diese Gruppenjagden mit mehreren Schützen und entsprechend vielen Schüssen bringen massive Störungen für die dort ansässigen Arten mit sich. Diese Jagdereignisse und verschiedene jagdliche Verfehlungen in dem Schutzgebiet führten dazu, dass über die vergangenen Jahre etliche schwer verletzte und teils flugunfähige Wasservögel dokumentiert wurden. Die Tiere leiden, bis sie irgendwann sterben oder einem Räuber zum Opfer fallen. Hinzu kommt, dass die Jagden entgegen der Gesetzgebung in fast völliger Dunkelheit durchgeführt werden, womit keine sichere Artansprache möglich und die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass neben Arten, die bejagt werden dürfen, auch nicht bejagdbare, geschützte Tiere den Abschüssen zum Opfer fallen.
Ein weiterer Fall ereignete sich im Landkreis Lüneburg im Biosphärenreservat „Niedersächsische Elbtalaue“, speziell im Vogelschutzgebiet „Niedersächsische Mittelelbe“. Hier sind Saat- und Blässgänse wertbestimmend. Einer Zeugenaussage zufolge wurden hier drei Jäger in Tarnkleidung beobachtet, die auf einen einfallenden Trupp aus u.a. Saat- und Blässgänsen Schüsse abgegeben haben. Bei einer Durchsuchung der Gräben wurden acht tote Saat-, fünf tote Bläss- und eine tote Graugans entdeckt – alle Tiere wiesen Schussverletzungen auf. Außerdem konnten mehrere Schrotpatronenhülsen sichergestellt werden (Stahl- und Bleischrot). Laut Aussage des Zeugen haben die Jäger außerdem keine Hunde geführt – in Niedersachsen muss allerdings bei jeder Jagd auf Federwild ein brauchbarer Hund geführt werden.
Diese Auswahl von Beispielen zeigt, dass naturschutzfachliche Aspekte und die Vorgaben der Jagd- und Naturschutzgesetze offenbar zunehmend weniger Beachtung in Niedersachsen finden. Der NABU Niedersachsen fordert daher dringend die Einführung einer entsprechenden Schwerpunktstaatsanwaltschaft Umweltkriminalität. Darüber hinaus nimmt der NABU Niedersachsen diese Fälle zum Anlass, um an alle Jägerinnen und Jäger zu appellieren, die bestehenden Jagd- und Naturschutzgesetze einzuhalten. Dies wohlwissend, dass die Mehrheit dies macht, eine aber offenbar größer werdende Minderheit sich allerdings kaum um die Gesetze schert.
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Quelle: NABU Niedersachsen
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